Zeitreise in die Vergangenheit: Beim Schreiben dieses Blogbeitrags sitze ich in einem meiner Lieblingscafés in Münster, trinke wie immer hier einen Chai Latte und sauge die studentische Atmosphäre dieses Cafés tief in mir auf. Ich erinnere mich daran, wie ich hier saß und erst Texte für die Masterarbeit und später für die Dissertation schrieb. Verrückt, wie lange das schon her ist!
Ich hatte heute Teil 3/4 meines Lehrauftrags an der Universität Münster, eine KI-Schreibwerkstatt für Studierende. Das war/ist das erste Mal, dass ich wieder mit Studierenden aus geisteswissenschaftlichen Fächern zu tun hatte, seit ich nicht mehr in der Fachlehre tätig bin. Nach knapp drei Jahren an einer Hochschule für Angewandte Wissenschaften fällt mir der Unterschied sehr stark auf. Die Studierenden aus philologischen Fächern oder gar der Philosophie, die hier in meinem Seminar sind, haben ein sehr viel stärker ausgeprägtes Diskussionsbedürfnis als die Studierenden, mit denen ich in meinen (KI-)Schreibwerkstätten an meiner Heimat-Hochschule zu tun habe. Obwohl ich im Vergleich zu letzter Woche, basierend auf entsprechendem Feedback der Studierenden, schon viel mehr Diskussionszeiten, -formate und -räume eingerichtet habe, kam im heutigen Abschlussfeedback abermals der Wunsch auf, morgen noch mehr Diskussionsrunden einzubauen. Das bin ich so gar nicht mehr gewöhnt, wie mir jetzt klar wird. Und ich finde das großartig! Studierende, die vieles hinterfragen, die miteinander diskutieren, die kritische Rückfragen stellen – das ist doch das, worauf Hochschulbildung abzielen sollte. In dem Fall kann ich auch nicht sagen, dass es an mir als Lehrperson liegt; ich hatte die KI-Schreibwerkstatt hier genau so geplant und angelegt wie die an der Hochschule RheinMain. Natürlich hätte ich hier in Münster auch eine andere Gruppe mit einer anderen Dynamik erwischen können, das ist mir schon klar. Doch so ganz generell frage ich mich, ob das KI-Zeitalter nicht auch eine Chance für die Geisteswissenschaften bietet. Für die Fächer also, denen schon allzu oft der Untergang prophezeit wurde. Erst diese Woche meinte eine Lehrperson in einem hochschuldidaktischen Seminar, das ich für HAWen gegeben habe, dass es in den Geisteswissenschaften ja ohnehin nur „Gelabere“ gebe (O-Ton!). Wenn wir aber das aktuell so oft bemühte Kritische Denken fördern wollen, das immer wieder als zentrale Kompetenz in diesen hochdynamischen Zeiten betrachtet wird, braucht es genau dieses „Gelabere“ (natürlich nicht im pejorativen Sinn) – die Interaktion, den kontinuierlichen Austausch, das kritische Denken, das Argumentieren. Ich glaube, da können die Naturwissenschaften doch noch das ein oder andere von den gerne als „unnütz“ verschrienen Geisteswissenschaften lernen … (ich übertreibe absichtlich! Vielleicht aber auch nicht?) Und apropos: Wann kehren wir eigentlich zurück zu wissenschaftstheoretischen Grundlagenseminaren am Anfang eines jeden Studiums? Im KI-Zeitalter sicher nicht die schlechteste Idee.
Gerade verabschiedete sich die Studentin, die mit mir am Cafétisch saß und die ganz offensichtlich für eine Klausur lernte. Im Gehen wünschte sie mir „noch viel Spaß beim Lernen“. Danke für das indirekte Kompliment zu meinem Alter – und danke für den guten Wunsch – ich habe definitiv viel Freude beim (lebenslangen) Lernen 🙂