Diese Woche war ich das erste Mal in meinem neuen Job in Berlin unterwegs, zunächst in unserem Hauptstadtbüro (mit Blick auf das Reichstagsgebäude und die Spree), später bei der BDA im Haus der Arbeitgeber. So bot mir diese Dienstreise Einblicke in eine Arbeitswelt, mit der ich bislang wenig bis keine Berührung hatte – die politische, institutionell geprägte Seite von Wirtschaft und Interessenvertretung. Wie Lobbyarbeit funktioniert, ist allein in der Theorie schon spannend. Lobbying hat ja einen recht zweifelhaften Ruf, doch ist es letztlich nichts anderes als das, was wir alle jeden Tag machen: Wir versuchen, andere Menschen von unseren Interessen zu überzeugen (und sei es nur das Interesse, nicht zum Italiener, sondern zum Inder zu gehen). Klar, die Entscheidung, welches Restaurant ich mit einer Freundin besuche, hat keinen Einfluss auf die Geschicke eines ganzen Landes. Trotzdem: Lobbying ist nichts anderes als Interessenvertretung mit System. Und mit Zugang. Wer Einfluss nehmen will, braucht Gelegenheiten, Gesprächspartner:innen – und eine gute Geschichte. Genau diese Geschichten habe ich mir in Berlin erzählen lassen: Wie entsteht ein Positionspapier? Was passiert damit, wenn es einmal geschrieben ist? Wer bekommt es wann auf den Tisch? Und wie entscheidet sich am Ende, ob eine Formulierung in einem Gesetz landet oder nicht?
Bei der BDA war ich dann zu Gast im Arbeitskreis „Internationales, RBC, nachhaltige Lieferketten“, dem ich nun angehöre. Hier wurden u. a. aktuelle Entwicklungen rund um die Regulierung globaler Lieferketten diskutiert, insbesondere das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz sowie seine europäische Weiterentwicklung. Auch hier: viel Neues, viel Fachsprache, vieles, das ich noch nicht vollständig (bis ehrlich gesagt gar nicht) einordnen konnte. Hilfreich war in dieser Situation übrigens ein KI-gestützter Arbeitsansatz: Ich habe mir in Microsofts Copilot einen Briefing-Agenten eingerichtet, der mir Zusammenfassungen zu Begriffen und Themen liefert, die ich aus den Gesprächen mitnehme bzw. in den Gesprächen aufschnappe. Natürlich nicht als Ersatz für eine fundierte thematische Einarbeitung, aber doch als pragmatische Einstiegshilfe in komplexe Themenfelder, gerade, wenn man irgendwo sitzt und eigentlich nur Bahnhof versteht.
Zum Thema „KI in der Arbeitswelt“ hat mich diese Woche ein Beitrag in der Harvard Business Review beschäftigt, in dem die Autor:innen das Phänomen des sogenannten Workslop beschreiben, also Inhalte, die mithilfe von genKI erstellt wurden, oberflächlich überzeugend wirken, aber substanziell nicht tragfähig sind. Damit verursachen sie in der Zusammenarbeit mehr Aufwand, als sie einsparen. Die dort beschriebene Dynamik ist mir nicht fremd. In zunehmend KI-gestützten Arbeitsumgebungen entsteht neuer Koordinationsaufwand, weil Output zwar schnell erzeugt, aber nicht immer kontextgerecht oder anschlussfähig ist.
Die Frage ist m. E. auch viel weniger, ob wir immer mehr KI-gestütztes Arbeiten brauchen, sondern ob wir nicht vielmehr die Arbeit selbst grundsätzlich neu denken müssen. Axel Krommer hat in einem neuen Text über digital gestütztes Lernen argumentiert, dass Begriffe wie „digital gestützt“ oder „KI-gestützt“ suggerieren, es gehe nur um eine technische Erweiterung bestehender Praxis. Tatsächlich aber verändern sich mit neuen Technologien auch die Rahmenbedingungen, Logiken und Zielsetzungen von Bildung. In ähnlicher Weise gilt das auch für die Arbeitswelt. In diesem Slidedeck, das ich intern für Kolleg:innen erstellt habe, habe ich dazu mal ein paar Gedanken zusammengetragen. Statt also Arbeit einfach mit KI zu „stützen“, könnte es sinnvoller sein, sich systematisch mit der Frage auseinanderzusetzen, wie Arbeit sich durch KI verändert und was das für unsere Rollen, Kompetenzen und Formen der Zusammenarbeit bedeutet. Es geht um mehr als Tools. Es geht um Transformationsprozesse, die mit Begriffen wie „gestützt“ oder „optimiert“ nur unzureichend beschrieben sind.
Dazu passt auch die Diskussion, die Doris Weßels diese Woche durch einen LinkedIn-Post angestoßen hat. Darin wirft sie die Frage auf, ob wir als Menschen im aktuellen Entwicklungstempo der KI überhaupt noch mithalten können. Wenn wir AI Leader sein wollen, müssen wir unsere kognitive Entwicklung im gleichen Maße steigern, in dem KI immer besser wird. Diese Entwicklung mündet dann aber in der Frage, „wie schnell wir Menschen lernen können – selbst in optimierter Weise durch das Zusammenspiel von menschlichen Lehrenden und KI-gestützten Lernalgorithmen“. Lernen ist per se langsam und Lernen braucht Zeit. Wie können wir da mit KI-Systemen mithalten?
Und dann war ich diese Woche noch das erste Mal in meinem Leben in einem Fußballstadion, genauer gesagt in der MEWA Arena des 1. FC Mainz 05. Dort ging es nicht um Tore, sondern um Future Skills. Die Moderatorin meinte deshalb direkt zu Beginn, dass wir heute aus der MEWA Arena eine „Kompetenzarena“ machen. Eingeladen hatte die Zukunftsinitiative Rheinland-Pfalz, die mit der Veranstaltung den Auftakt zu ihrer Reihe „Future Skills“ machte. Im Mittelpunkt stand daher die Frage die ‚übliche‘ Frage, welche Kompetenzen wir brauchen, um in einer komplexen, digitalen Welt handlungsfähig zu bleiben. Prof. Ulf-Daniel Ehlers sprach in seiner Keynote über Grit und das Growth Mindset (Angela Duckworth), also über die Fähigkeit, dranzubleiben, zu lernen und trotz Widerständen weiterzumachen. Future Skills, so seine zentrale Botschaft, sind kein Katalog von Einzelkompetenzen, sondern Ausdruck ganzheitlicher Handlungsfähigkeit. Außerdem brachte er in Anlehnung an den Veranstaltungsort das, wie ich finde, tolle Zitat: „Zukunft ist kein Einzelrennen. Transformation kein Solokonzert. Zukunft ist Mannschaftssport – und Future Skills sind das Training dafür.“ Anschließend fand noch eine Podiumsdiskussion statt, in der sich wieder einmal zeigte, wie wertvoll es ist, wenn man Silos aufbricht und wenn sich Menschen aus Unternehmen, Politik, Kultur und Bildung zusammentun und über (Zukunfts-)Themen sprechen. Für mich persönlich war es außerdem schön, an frühere Hochschulkontakte anzuknüpfen und z. B. Ulf Ehlers und ehemalige Kollegen der Hochschule Mainz nach längerer Zeit wiederzusehen.