Diese Woche stand für mich im Zeichen der Weiterentwicklung meiner Rolle als Führungskraft. Zunächst war ich Montag und Dienstag bei einer Fortbildung der zentralen hessischen Fortbildung. Dann standen noch zwei weitere Kurzfortbildungen im Führungskontext an.
Die Fortbildung, die ich zu Beginn der Woche besucht habe, trug den Titel „Stärkenorientierte Führung“. Grundlage des Seminars war der StrengthFinder von Gallup, Clifton Strength Assessment. Im Voraus haben wir alle einen Zugangscode erhalten und mussten 200 Fragen beantworten bzw. zu 200 Aussagen Positionierungen vornehmen. Anschließend erhielt man eine Auswertung seiner Top 5 Stärken (out of 34). Mir hat auf der einen Seite der komplett stärkenorientierte Ansatz des Seminars sehr gut gefallen. Bei ähnlichen Tests, die ich in der Vergangenheit schon gemacht habe, gab es immer auch eine Negativseite: Man bekam eine Stärke attestiert, wobei direkt auch beschrieben wurde, was damit an negativen Punkten einhergeht kann und worauf man achten sollte. Der Kerngedanke des von mir besuchten Seminars war nun, dass es sinnvoller ist, die eigenen Stärken weiter zu stärken, anstatt nur Schwächen zu verringern. Dies bedeutet jedoch nicht, dass unakzeptable Schwächen ignoriert werden sollten; vielmehr geht es darum, den Fokus auf das zu legen, was einen voranbringt.
Um zwei Beispiele zu nennen: Eine meiner Top-5-Stärken ist Leistungsorientierung. Wenn ich das in der Vergangenheit schon gespiegelt bekam, war damit immer auch direkt der Appell verbunden, darauf zu achten, dass der Ehrgeiz nicht zu weit führt. Bei dem Seminar zu Beginn der Woche wurde aber die Stärke der Leistungsorientierung einfach nur positiv bewertet. Es wurde zwar auch gesagt, dass man als leistungsorientierter Mensch lernen muss, mit einer beständig an einem nagenden Unzufriedenheit zu leben, dass diese aber auch positive Seiten aufweisen kann. Eine andere meiner Top-5-Stärken ist Harmoniestreben. In anderen Kontexten wurde das Harmoniestreben oft als Tendenz zur Konfliktvermeidung gesehen, hier jedoch vielmehr als eine Art ‚seismografische‘ Fähigkeit, die mir hilft, Reibungspunkte frühzeitig zu spüren bzw. zu identifizieren. Die Fähigkeit, Entwicklungen und Stimmungen aufmerksam wahrzunehmen, wurde als wertvolle Eigenschaft beschrieben, die es ermöglicht, Beziehungen zwischen Menschen mit ganz unterschiedlichen Perspektiven zu fördern und Gemeinsamkeiten hervorzuheben.
Didaktisch gefiel mir die Durchführung des Seminars leider nicht. Ich fand es schade, dass der Fokus sehr stark auf dem Vorstellen des eigenen Stärkenprofils lag. Themen, die mich noch deutlich stärker interessiert hätten, z. B. was im Umgang mit Mitarbeitenden konkret eine stärkenorientierte Führung ausmacht, kamen viel zu kurz. Ich hätte gerne noch viel mehr Zeit gehabt, um darüber nachzudenken, wie konkret ich die Stärken meiner Mitarbeitenden weiter stärken kann. Auch die Frage danach, wie uns unsere Stärken bei der Bewältigung anstehender Herausforderungen helfen können, kam leider zu kurz. Insofern fuhr ich eher unbefriedigt wieder nach Hause.
Gestern durfte ich dann zunächst an einem Führungsnugget zum Thema ‚Jahresgespräche führen‘ meines Arbeitsgebers teilnehmen. Ich finde es ziemlich cool, dass die Personalabteilung seit neuestem Führungsnuggets zu verschiedenen Themen anbietet: kurze, anderthalbstündige Online-Formate, in denen Themen wie das Führen von Mitarbeiterinnengesprächen, aber auch das Geben von Feedback, oder das Setzen von Zielen thematisiert werden. Für mich als Person, die in der Rolle der Führungskraft noch recht neu ist, ist das eine gute Möglichkeit, Führungskompetenzen zu entwickeln. Ab nächster Woche stehen bei mir nämlich die Jahresgespräche an und die Teilnahme an dem Führungsnugget gestern hat mir Sicherheit gegeben im Durchführen der Gespräche, auf die ich mich sehr freue.
Gestern Abend fand schließlich noch eine Masterclass zum Thema „Psychologisch sichere Räume schaffen in Teams“ statt, die vom WMN-Network angeboten wurde, einem lokalen Frauennetzwerk aus Wiesbaden und Mainz, bei dem ich Mitglied bin. Das Konzept und die didaktische Umsetzung der Masterclass von Tessa Bauer haben mir sehr gut gefallen. Die zentrale Frage, die uns dabei beschäftigte, war: Was bedeutet psychologische Sicherheit im Arbeitsumfeld, und welche Rolle spielt sie für mich als Führungskraft?
Den Begriff „psychologische Sicherheit“ habe ich zwar schon öfter gehört, nun habe ich aber einen guten Einstieg in das Thema erhalten. Psychologische Sicherheit bedeutet, wie ich erfahren habe, dass Mitarbeitende authentisch sein und sich ohne Angst vor Bestrafung oder Erniedrigung offen äußern können. Sie können Fragen stellen, Ideen einbringen oder Fehler zugeben, ohne negative Konsequenzen befürchten zu müssen. Als Führungskraft ist es meine Aufgabe, diesen Raum zu schaffen und das Team dabei zu unterstützen, aus sich herauszukommen und produktiv, angstfrei und eben psychologisch sicher zusammenzuarbeiten.
Was mich besonders beeindruckte, war die Bedeutung psychologischer Sicherheit für Innovation und Produktivität. Studien zeigen, dass ein sicheres Arbeitsumfeld sowohl die Anzahl als auch die Qualität neuer Ideen erhöht (die genauen Studien liefere ich hier gerne nach, wenn ich die Folgen habe). Psychologische Sicherheit ist außerdem ein wesentlicher Treiber für konstruktiven Ideenaustausch und die Fähigkeit zur Konfliktbewältigung. In der Masterclass wurde speziell auf eine Google-Studie von 2015 hingewiesen, die bei 180 Teams untersuchte, welche Eigenschaften ein effektives Team ausmachen. Die Ergebnisse zeigten, dass psychologische Sicherheit die Grundlage für die anderen vier wesentlichen Merkmale effektiver Teams bildet.
Interessant war es auch zu hören, was psychologische Sicherheit nicht ist: Sie ist kein „Nettsein“, kein persönlicher Charakterzug, kein Synonym für Vertrauen und vor allem keine Garantie für niedrigere Leistungsstandards. Es geht nicht darum, Konflikte oder Leistungsanforderungen zu vermeiden, sondern eine Umgebung zu schaffen, in der produktiver Austausch und Wachstum möglich werden.
In der Masterclass haben wir sieben Elemente kennengelernt, die psychologische Sicherheit ausmachen: Zusammenarbeit, Inklusion, Verletzlichkeit, Mut, Vertrauen, Feedback-Umsetzung und Wertschätzung. In Reflexionsrunden hatten wir die Gelegenheit, über persönliche Erfahrungen nachzudenken und uns zu fragen, welche Bedingungen für uns selbst notwendig sind, um uns sicher zu fühlen. Ebenso reflektierten wir, ob wir Situationen erlebt oder vielleicht selbst geschaffen haben, in denen psychologische Sicherheit fehlte.
Ich habe für mich mitgenommen, dass die Erschaffung eines psychologisch sicheren Raumes für ein Team keine Selbstverständlichkeit ist, sondern kontinuierliche Aufmerksamkeit und das aktive Engagement nicht zuletzt auch der Führungskraft erfordert. Psychologische Sicherheit ist weit mehr als ein „nice-to-have“. Vielmehr ist sie ein „must-have“, um in Teams Raum für Ideen, gegenseitigen Respekt und Produktivität zu schaffen.
Noch ein anderer Gedanke zum Schluss: In den letzten drei Wochen war ich viel unterwegs und daher kaum im Büro. Die Gespräche auf dem Flur oder beim Mittagessen in der Mensa haben sehr gefehlt und ich hatte dadurch auch das Gefühl, ein wenig den Kontakt zu meinem Team verloren zu haben. Insofern bin ich sehr froh, dass ich nun erst einmal zurück in Wiesbaden bin und es erst Ende November wieder auf Dienstreise geht.