Schreibwerkstatt Lehrportfolio

KI-generiertes Bild mit Menschen, die in einem Raum sitzen und mit Laptops arbeiten, in der Mitte ein kleiner humanoider Roboter

Zwischendurch mal wieder ein Seminar zu geben, in dem das Thema generative KI einfach gar keine Rolle spielt, tut gut. Diese Woche war es wieder einmal so weit, da am Montag Teil 2 einer Lehrportfolio-Schreibwerkstatt anstand. Teil 1 fand vor vier Wochen in Präsenz statt, Teil 2 nun online. Ich möchte ein paar Eindrücke zu diesem Seminar teilen, wobei das Thema KI letztlich (natürlich) doch nicht unerwähnt bleibt.

Die Schreibwerkstatt richtete sich an Lehrende an den Hochschulen, für die das Hochschuldidaktische Netzwerk Mittelhessen zuständig ist und die gerade am Ende ihres Hochschuldidaktik-Zertifikats stehen. Meine Aufgabe war es, die Teilnehmenden darauf vorzubereiten, ein Lehrportfolio zu schreiben, wobei das Ziel des Seminars ausdrücklich kein fertiges Lehrportfolio war, sondern lediglich das Verfassen von Hilfstexten. Ich habe viele verschiedene Schreibübungen angeboten, von denen fast alle mit Stift und Papier bearbeitet werden sollten. Am Anfang war dies für einige TN ein irritierendes Moment, aber nachdem sie sich darauf eingelassen hatten, konnten die meisten doch den Wert des analogen Schreibens in diesem Kontext erkennen.

Meine erste Beobachtung, die ich teilen möchte, betrifft die beiden Lager, die bei der Schreibwerkstatt zum Lehrportfolio (ich habe diese nicht zum ersten Mal angeboten) immer vorhanden sind. Auf der einen Seite stehen die Personen, die das Hochschuldidaktik-Zertifikat aus Überzeugung heraus machen und die bislang an den meisten hochschuldidaktischen Veranstaltungen auch Spaß hatten, viel für sich mitnehmen konnten und die sich nun teilweise sogar sehr darauf freuten, ihre Lehrphilosophie auszuarbeiten. Auf der anderen Seite gibt es die Lehrenden, die das Didaktikzertifikat nur deshalb machen, weil sie es im Kontext der Bewerbung auf eine Professur brauchen oder sich davon zumindest bessere Chancen bei solchen Bewerbungen versprechen. Das sind dann die Personen, die ein Lehrportfolio als nicht gerade sinnvoll erachten und der Meinung sind, dass es sich hier ohnehin nur um eine Ansammlung von Buzzwords handelt.

Gerade mit der letzten Gruppe kann ich mich immer sehr gut identifizieren. In diesem Kontext erzähle ich immer – und schicke als Disclaimer vorweg, dass es sich hier auf gar keinen Fall um eine Anbiederung handelt, sondern schlichtweg um die nackte Wahrheit –, dass ich selbst, als ich mein eigenes Hochschuldidaktik-Zertifikat gemacht habe, einfach überhaupt keinen Sinn darin sah, meine Lehre irgendwie zu verbessern. Die meisten Veranstaltungen habe ich einfach abgesessen. Ich habe immer darauf gehofft, dass es möglichst wenig Gruppenarbeiten und Austauschphasen gibt (natürlich wurde diese Hoffnung regelmäßig enttäuscht) und war froh, wenn die Veranstaltungen zu Ende waren. Für mich war es einfach ein Element im Lebenslauf, das es irgendwie abzuhaken gilt, und gut isses. Als ich selbst in diesen Seminaren saß, hätte ich es mit keinem einzigen Gedanken für irgendwie möglich gehalten, dass ich selbst einmal hochschuldidaktische Seminare geben würde.

Warum habe ich überhaupt keinen Sinn darin gesehen und warum bin ich nun geläutert? Dass ich keinen Sinn darin gesehen habe, lag auf der einen Seite an mir, auf der anderen Seite aber auch an den Seminaren, die ich besucht habe. Es lag an mir, weil ich zu der Zeit nur das Ziel Promotion gesehen habe und alles andere meiner Forschung untergeordnet habe. Außerdem befand ich mich in einem Umfeld, in dem Engagement in der Lehre ohnehin nicht zählte. Hinzu kamen Seminare, die mir im Rückblick – vielleicht tue ich den Seminaren Unrecht, aber so ist jedenfalls meine Erinnerung daran – als eine Abfolge der Präsentation noch eines Aspektes und noch eines Aspektes erscheinen, den ich irgendwie auch noch in meine Lehrveranstaltungen quetschen muss. Vermittlung fachlicher Inhalte und dann zwischendrin halt mal eine Fishbowl-Diskussion, mal ein Feedback-Sandwich, fertig. Dass hinter dem ganzen Forschung steht, dass es Evidenz für die Faktoren guter Lehre gibt, davon war zumindest im Rückblick nie die Rede.

Was hat mich aber also geläutert? Ich glaube, ganz zentral für meine Läuterung war das Umfeld. Ich kam irgendwann zum Glück in ein neues berufliches Umfeld, in dem es absolut nicht cool war, seine Lehre einfach irgendwie hinter sich zu bringen. Ich kam in ein Umfeld, in dem sich auf einmal alle sehr viele Gedanken um ihre Lehre gemacht haben, in dem Lehre reflektiert wurde und in dem über Lehre gesprochen wurde. Und in dem Kontext habe ich Studien entdeckt, Studien zur Lehr-Lern-Forschung und habe gemerkt, dass das genauso eine Wissenschaft ist wie die Fachdisziplin, aus der ich komme.

Für mich ist dieser ‚Läuterungsweg‘ heute eine wirklich wertvolle Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Dadurch kann ich sehr viel Empathie für diejenigen Personen aufbringen, die in meinen hochschuldidaktischen Veranstaltungen sitzen und einfach auf gut Deutsch gesagt keinen Bock darauf haben. Mit diesem Verständnis kann ich authentisch versuchen, ihnen den Wind aus den Segeln zu nehmen und durch das Darstellen meiner eigenen Geschichte eine andere Perspektive aufzuzeigen. Sie davon zu überzeugen, dass kleine Veränderungen ihrer Lehre viel besser sind als gar nichts zu ändern. Ihnen zu zeigen, dass hinter dem, was ich ‚predige‘, Forschung steht.

Wie angekündigt, geht es jetzt aber doch auch noch um das Thema KI. Dieses Mal kam in der Portfolio-Werkstatt das Thema Einsatz von KI-Tools für das Verfassen von Lehrportfolios nicht auf. Aber ich erinnere mich, dass letztes Mal ein Teilnehmer sagte, dass er einfach ChatGPT darum bitten würde, für ihn ein Lehrportfolio zu erstellen. Dazu passt eine Mail, die ich diese Woche von einer Lehrenden bekommen habe. Sie schrieb, dass ihre Studierenden am Ende eines Seminars immer einen einseitigen Reflexionsbericht schreiben müssen und sie dieses Mal das Gefühl habe, dass einige Reflexionsberichte komplett KI-generiert seien. Wie also umgehen mit dem Thema Reflexion und KI-Tools? Ich habe mich mit dieser Frage auseinandergesetzt, als die Lehrenden meiner Portfolioschreibwerkstatt diese Woche eigene Aufgaben bearbeitet haben. Und ich habe mir die Frage gestellt, wie wir sicherstellen können, dass Reflexionsberichte und Lehrportfolios authentische und individuelle Reflexionen der Lehrenden bleiben, auch wenn KI-Tools verwendet werden? Was ich hier gerne einmal ausprobieren würde, wäre ein KI-Reflexions-Tool. Dazu würde ich gerne einen Custom GPT aufsetzen, der Lehrende oder Studierende ganz konkret bei einer Reflexionsaufgabe unterstützt. Die Aufgabe für die Lehrenden/Studierenden wäre dann immer noch, ein Portfolio/einen Reflexionsbericht zu erstellen – bei den einzelnen Aufgaben würde jedoch ein Chatbot helfen. Das Prinzip wäre, dass die Lehrenden/Studierenden einfach via Smartphone-App ihre Gedanken einsprechen und der Bot dann darauf eingeht, indem er vertiefende Fragen stellt. Was die Studierenden betrifft, so müsste am Ende gar kein Reflexionsbericht abgegeben werden, sondern es wäre einfach der Link zur Bot-Konversation zu teilen. Das Wichtigste dabei wäre aber, den Studierenden ganz klar den Sinn einer solchen Reflexionsübung transparent zu machen. Ihnen zu verdeutlichen, dass es sich nicht um eine Gängelei, um eine stupide ‚Beschäftigungstherapie‘ handelt, sondern um eine Aufgabe mit Sinn (hier dann den konkreten Sinn erläutern).

Zum Schluss noch ein paar Worte dazu, womit ich mich aktuell auseinandersetze. Im Kontext der Abfrage der Erwartungen der Teilnehmenden für ein anstehendes Seminar schrieb mir ein Lehrender, dass ihn meine Gedanken dazu interessieren würden, ob der AI Act, der nun von der EU verabschiedet wurde, das Thema KI-Tools und wissenschaftliches Schreiben beeinflussen könnte. Vor diesem Hintergrund habe ich mich nochmals ausführlicher mit dem AI Act beschäftigt, als ich es bislang tat, und stieß dabei auf den EU AI Act Compliance Checker. Ich habe mich hier mal durch alle Fragen geklickt (wobei diese natürlich eigentlich für KI-Systeme gedacht sind und nicht für Anwendungsfälle) und bekam als Antwort am Ende die folgende: „Die rein persönliche, nicht professionelle Nutzung von KI-Systemen ist wahrscheinlich ausgeschlossen und unterliegt keinerlei Verpflichtungen“. Die Nutzung von KI-Systemen im Studium ist aber ja nicht rein persönlich und nicht nicht professionell, oder? Inwiefern tangiert der EU AI Act denn den Einsatz von KI-Bots an Hochschulen? Die Lehre? Wer dazu Näheres weiß/gelesen hat/sich Gedanken gemacht hat, möge mich gerne kontaktieren. ChatGPT antwortet auf meine Frage wie folgt: „Der AI Act der EU könnte das Thema KI-Tools und wissenschaftliches Schreiben beeinflussen, indem er strenge Regularien für Transparenz, Verantwortlichkeit und ethische Nutzung solcher Technologien einführt. Dies könnte zu einer stärkeren Überwachung und klaren Richtlinien führen, wie KI-Tools im akademischen Kontext eingesetzt werden dürfen, um Missbrauch zu verhindern und die Integrität wissenschaftlicher Arbeiten zu wahren“. Wenn der AI Act dazu führen würde, dass jede Hochschule darauf verpflichtet wird, klare Regeln für den Einsatz von KI im Studium zu kommunizieren, fände ich das jedenfalls großartig! Stichwort „Wunsch von Studierenden nach Transparenz“.

Ansonsten halte ich nun endlich das Buch „Co-Intelligence. Living and Working with AI” von Ethan Mollick in den Händen und bin schon ganz gespannt auf die Lektüre. Außerdem steht dieses Paper auf meiner Liste (angepriesen im Newsletter von Philippa Hardman mit „One of the biggest ever reviews of human behaviour change has been published, with some eye-opening implications for how we design & deliver learning experiences”) und dieses kleine Springer-Essentials-Büchlein zu Embodied und Emotionen in Coaching.