In dieser Woche habe ich mich viel mit Reflexion beschäftigt, da ich meine Zeit an der Hochschule RheinMain systematisch reflektieren wollte – nicht nur, aber auch, um daraus Learnings für den neuen Job zu ziehen. Was mich dabei unterstützt hat, war ChatGPT, das ich einmal mehr als wertvollen Sparringspartner für persönliches Wachstum erlebt habe. Ich möchte gerne eine meiner Erkenntnisse für diesen Blogpost herausgreifen: ChatGPT schlug mir die Frage vor: „Was habe ich besonders gut gekonnt – und woran habe ich das gemerkt?“ Meine Antworten zeigten mir, dass ich vor allem Menschen inspirieren und ihnen Mut zur eigenen Auseinandersetzung mit KI machen konnte. Und auch wenn ich stets Wertschätzung für meine Arbeit erfahren habe, wurde mir bewusst, dass ich mir noch mehr ganz konkrete Rückmeldungen von Menschen gewünscht hätte, welchen Impact mein Tun auf sie hat. Zum Ende meiner Zeit an der Hochschule RheinMain hin habe ich ganz viele Rückmeldungen bekommen, wofür mein Input für Kolleg:innen, etwa in Form des KI-Newsletters, konkret hilfreich war. Hätte ich das früher gewusst, hätte ich mich sicher noch mehr darauf fokussieren können, besser auf die Bedarfe einzugehen. Deshalb meine Message an alle, die das hier lesen: Anstatt einer Person zu sagen „Cooler Newsletter, wie schön, dass Du das jeden Monat machst“, könnte man ganz konkret sagen „Ich habe nach der Lektüre des letzten Newsletters konkret XY ausprobiert und dabei festgestellt, dass … Das war sehr wertvoll für mich, danke“.
Passend zu meiner Retrospektive und den daraus gezogenen Schlüssen für die Zukunft habe ich mich in dieser Woche in die Lektüre von „Getting Things Done“ von David Allen vertieft, einer Art Bibel für gute Arbeitsorganisation und effizientes Arbeiten. Mein neuer Job steht bevor und ein komplett leeres Postfach, ein leerer Desktop und ein leeres Laufwerk warten darauf, von mir von Anfang an strukturiert befüllt zu werden. Das Buch ist zwar aus einer Zeit, in der PC und Internet noch nicht ganz so dominant waren, aber seine Kernbotschaften sind zeitlos. Es geht darum, alles, was in irgendeiner Weise unerledigt ist, aus dem Kopf zu holen und in ein logisches System zu überführen. Das Ziel: ein „wasserklarer Geist“. Es geht dann auch nicht einfach darum, Listen zu schreiben, sondern darum, direkt den nächsten konkreten Schritt festzulegen. So schreibt man sich nicht auf „Meeting mit Amelia“, um dann später wieder daran anzusetzen und darüber nachzudenken, was man tun wollte, sondern man notiert direkt den Schritt „Terminvereinbarung und Agenda“. Außerdem nehme ich für mich mit: Alles, was weniger als zwei Minuten dauert, wird sofort erledigt. Wenn etwas mehr als zwei Minuten dauert, wird entweder delegiert oder verschoben, indem Erinnerungshilfen in das eigene Organisationssystem einsortiert werden.
In der ZEIT gab es letzte Woche einen Artikel mit dem provokanten Titel „Wenn wir nicht mehr lernen müssen“ von Sibylle Anderl. Sie beschreibt ein Gedankenexperiment: Was passiert, wenn KI das Lernen und Denken weitgehend überflüssig macht? Dabei malt sie das Bild eines „geistigen Schlaraffenlands“, in dem KI alles für uns erledigt. Dann aber – oh Wunder – schreibt sie, dass dahinter Risiken wie kognitive Bequemlichkeit, die Verarmung des Denkens und der Verlust von Neugier und kritischem Denken lauern (sorry für den Sarkasmus, aber wie viele Artikel habe ich dazu schon gelesen, KI macht uns dumm, blabla). Lernen brauche Anstrengung, und die Überwindung von Hürden sei zentral für unsere Selbstwirksamkeit. Ja, das ist definitiv so. Ich teile die Sorge um die Denkfaulheit, sehe aber auch einen anderen, viel fundamentaleren Punkt, den Christian Müller auf LinkedIn sehr treffend formuliert hat: Das Problem ist nicht die KI, sondern die veraltete Vorstellung von Lernen, die wir immer noch verteidigen. Müller argumentiert, und hier bin ich ganz seiner Meinung, dass unser aktuelles Lernsystem oft nur ein „normiertes Durchlaufen von Systemlogiken“ ist – ein Lernen, das erschöpft, aber nicht befreit. Wir brauchen eine neue Lernkultur, die KI nicht als Ersatz, sondern als Erweiterung begreift und damit auch als „Sparringspartner für Selbstverantwortung“.
Diese Sichtweise wird auch von anderen prominenten Stimmen geteilt. Balaji, der Autor von „The Network State“, betont in seinem aktuellen Blogpost auf Substack, in dem er zehn Gedanken zu KI präsentiert, dass KI in ihrer heutigen Form nicht „künstliche“, sondern „verstärkte Intelligenz“ sei. Sie ist nicht wirklich unabhängig von uns, weil wir sie ständig anleiten und die Ergebnisse überprüfen müssen. „Je schlauer Sie sind, desto schlauer ist auch die KI“, lautet sein Fazit. Ähnlich argumentiert Ian O’Byrne, der in seinem Blogpost „Talking to My Notes“ beschreibt, wie KI seine eigenen Notizen zum Leben erweckt, zu einem „digital garden that talks back“. Er betont: „AI is most powerful when it knows what you know.“ Es gehe darum, die KI mit dem eigenen Wissen zu speisen, um sie zu einer echten „Superpower“ zu machen.
Ansonsten ist der Artikel von Ian O’Byrne eher ernüchternd. Zum einen fragt man sich, weshalb er erst jetzt, Ende Juli 2025 (von da ist sein Artikel, den ich aber diese Woche erst entdeckt habe, und zwar durch den Weiterbildungsblog), Googles NotebookLM entdeckt hat. Zum anderen muss man Obsidian, in das ich mich ja gerade sehr einarbeite und das O’Byrne wohl bislang sehr intensiv genutzt hat, gar nicht verlassen, wenn man mit seinen Notizen ‚sprechen‘ will. Es gibt inzwischen einige mächtige KI-Integrationen für Obsidian, etwa „Copilot“ und „Smart Connections“ (danke an Alexander Kaib dafür, dass er mir diese gezeigt und mich in sie eingeführt hat), die ich sehr empfehlen kann. Da brauche ich nicht noch NotebookLM (außer natürlich, ich möchte mir einen Podcast, ein Video o. dgl. erstellen lassen).
Apropos Interaktion: Bei der Vorbereitung meines Vortrags für die Frankfurter Buchmesse hat mir ChatGPT geholfen, eine ‚philosophische Klammer‘ für meine Praxistipps zu finden. Die KI lieferte mir eine Formulierung, die ich sehr gut fand, vor allem den letzten Satz: „KI spiegelt uns unsere eigenen Muster zurück. Sie zeigt, was wir erwarten – nicht, was wir übersehen. Und genau das ist das Risiko: Dass wir uns im KI-Text wiederfinden, bevor wir uns selbst befragt haben.“ Hierzu nochmals ein passendes Zitat aus dem Artikel von Ian O’Byrne: „The things you’re wondering about are just as useful as the things you ‚know‘“.
Und da sich meine Lesenden sicher gefragt haben, ob ich noch etwas zu GPT-5 schreibe: Ja, mache ich, ganz zum Schluss. Dazu nutze ich die Worte von Ethan Mollick, der in meinen Augen die Sachlage am besten zusammenfasst: „GPT-5 as a model is pretty much on the same curve as the other top labs. I’d expect the usual leapfrogging between Gemini, Claude, OpenAI, & Grok to continue. I think GPT-5 is a big step forward, but not an unexpected one if you have been following the curve. Three models got Gold at the Math Olympiad last week. I am losing track on what massive advances mean. All the models are improving very quickly right now. Where there are some big gains over other models is that GPT-5 seems well-trained for real world tasks in new ways. And, of course, that more people will see what a really good model can do, since GPT-5 will be widely available“.