Promptathon, Perspektiven und Preferable Futures

„Alle hatten richtig Spaß“ – wann habe ich das zuletzt über eine Hochschulveranstaltung gesagt? Diese Woche war es auf jeden Fall mal wieder so weit: Unser erster Promptathon hat stattgefunden. Seit über einem Jahr geplant, den Termin immer wieder verschoben, wieder verworfen, neu gestartet. Gemeinsam mit Kolleg:innen aus dem LehrLernZentrum, der Abteilung Studium und Lehre und der Hochschulbibliothek haben wir ein Format auf die Beine gestellt, das ich – und das sage ich bei Veranstaltungen, die ich (mit)organisiere, wirklich selten – richtig gelungen fand.

Etwa 80 Personen waren dabei, Studierende, Lehrende, Mitarbeitende. Dass die Stimmung so gut war, lag sicher auch daran, dass die Veranstaltung wirklich für alle Hochschulangehörigen offen war. Im Nachhinein haben jedenfalls wir vom LehrLernZentrum gesagt, dass wir viel öfter Veranstaltungen zusammen mit Studierenden machen müssten. Für den Promptathon gab es Challenges aus vier Fachbereichen (der fünfte war leider nicht dabei), die jeweils von Professor:innen eingebracht wurden:

  • Escape Room fürs Studieren mit Beeinträchtigung: Entwickle ein Konzept für einen Escape Room, das spielerisch vermittelt, wie Studierende mit chronischen Erkrankungen oder Behinderungen gut durchs Studium kommen können.
  • Parfüm trifft Gen Z: Berate den Inhaber einer Parfümerie in einer Kleinstadt und entwickle eine kreative Kommunikationskampagne, um ein neues Parfüm bei Angehörigen der GenZ attraktiv zu machen.
  • CO2 runter: Formuliere eine fundierte Handlungsempfehlung für die neue Bundesregierung, wie der CO2-Ausstoß im Straßenverkehr in Deutschland möglichst schnell gesenkt werden kann.
  • Holiday on Ice reloaded: Erstelle ein Kommunikationskonzept für die Deutschlandtournee 2025/26 von Holiday on Ice – Zielgruppe: U25. (Hier war besonders cool, dass die Challenge-Geberin, Tatjana Steusloff, die Commercial Director von Holiday on Ice in die Entwicklung der Challenge und die Jury-Arbeit einbezog)

Nach einem kurzen Input zu Prompting und einem Pitch der Challenges ging es in ‚statusgruppengemischten‘ Gruppen an die Arbeit. Eine Stunde Zeit, danach Präsentation, Juryarbeit und Preisverleihung. Und am Ende noch gemeinsames Pizza-Essen.

Alle vier Challenge-Gebenden waren hellauf begeistert von den Endprodukten der Gruppen (nicht übertrieben) und sagten: „Das kann man eigentlich direkt so nehmen, bisschen überarbeiten, und fertig.“ Die Gruppen waren fachlich bunt gemischt, kannten sich teilweise vorher nicht, hatten nur eine Stunde – und haben mit KI-Unterstützung Produkte entwickelt, die man sofort einsetzen könnte. Da stellt sich schon die Frage: Wenn fachfremde Personen innerhalb einer Stunde mit KI-Unterstützung Lösungen erarbeiten, die fast unmittelbar einsatzfähig sind und die Fachpersonen überzeugen, was heißt das für das Studium? Was bedeutet das für die Fachlichkeit, was für die Rolle der Hochschullehre? Wenn KI gepaart mit Kreativität und ein bisschen Prompting-Know-how reicht, um überzeugende Produkte zu erstellen, wozu dann noch das ganze Lernen? Eine Frage, die natürlich überspitzt ist, aber doch auch sehr ernst gemeint ist und die nachwirkt. Welche Abgründe tun sich hier auf?

Auch in der aktuellen Bitkom-Studie zur KI-Nutzung in Deutschland tut sich eine Kluft auf: 70 % der Nicht-Nutzer:innen von KI haben Angst davor, während es bei den Nutzer:innen gerade einmal 22 % sind. Umgekehrt erleben 70 % der Nutzer:innen KI als Erleichterung, während es bei den Nicht-Nutzenden nur 22 % sind. Die Unterschiede in der Wahrnehmung, in der Bewertung, in der Haltung sind frappierend … Doris Weßels und Ulf-Daniel Ehlers fordern in ihren LinkedIn-Posts zur Studie: Mehr Erfahrungsräume, mehr (KI-)Bildung, mehr Dialog. Für die Studie wurden übrigens 1.005 Personen ab 16 Jahren in Deutschland von März bis April 2025 telefonisch befragt.

Unser Promptathon war für die Teilnehmenden ein Möglichkeitsraum, in dem Neues gedacht, ausprobiert und diskutiert werden und in dem die Teilnehmenden gemeinsam gelernt haben. Ein solcher Möglichkeitsraum, den ich mir diese Woche ‚gegönnt‘ habe, war ein Workshop auf dem University:Future Festival zum Thema „Foresight-Methoden und Szenarien“. Tobias Seidl und Sophia Mandel haben uns Teilnehmende eingeladen, mit Methoden wie dem Futures Wheel mögliche Szenarien für Hochschulen im Jahr 2040 zu entwerfen, und zwar ausgehend von verschiedenen Startpunkten, z. B. dass es normal wird, dass an Hochschulen 30 % weniger Studierende sind als heutzutage. Spannend war dabei nicht nur der inhaltliche bzw. methodische Input, sondern auch die Haltung, die damit einherging: Zukunft ist kein Fahrplan, den wir abarbeiten, sondern ein Raum, den wir gestalten können. Und müssen. Es geht beim Blick in die Zukunft nicht um eine Bestandsaufnahme, sondern darum, Impulse zu setzen, zur Diskussion anzuregen und Perspektiven zu wechseln, wie Tobias in seinem Input betonte. Ich bin sehr neugierig, mehr über dieses Thema zu lernen und werde deshalb die Tage in die im Impuls zitierte Literatur eintauchen.

Futures Literacy ist laut der UNESCO eine „essential competency for the 21st century“. Zu Kompetenzen gehört immer auch eine Haltung, in diesem Falle das „Future Mindset“. So passte es ganz gut, dass ich mich diese Woche auch mit dem neuen Diskussionspapier des Hochschulforums Digitalisierung beschäftigt habe, das unter dem Titel „Die Haltung, Zukunft zu gestalten: Ein Plädoyer für das Future Mindset“ steht und das ich sehr empfehlen kann. Beim Future Mindset geht es um eine Haltung, die von Offenheit, Perspektivwechsel, Reflexionsfähigkeit und mutigem Handeln geprägt ist. Eine Haltung, die nicht nur Antworten gibt, sondern neue Fragen stellt.

Und weil gute Fragen manchmal auch aus Rezensionen erwachsen: Diese Woche sind zwei neue Rezensionen zu meinem Buch „Wissenschaftliches Schreiben mit KI“ erschienen (siehe Fellofish und ausgezeichnete-hochschullehre.org). Besonders gefreut hat mich das Lob für die „didaktische Klarheit, strategische Offenheit und eingängige Sprache“, denn genau das wollte ich erreichen: ein Buch, das viele Lesende aus der Zielgruppe mitnimmt, ohne den moralischen Zeigefinger zu heben. Für mich liefern die Rezensionen gute Ansatzpunkte für die Neuauflage des Buches, an der ich aktuell arbeite und die im Januar 2026 erscheinen soll.

Was ich immer nur schwer aushalte, ist die anhaltende Diskreditierung von KI-Systemen à la „Schau mal, wie falsch ChatGPT dies und jenes gemacht hat. Und genau deshalb, liebe Kinder (ja, so fühlt man sich dann) sollte man KI nicht nutzen“. Diese Haltung begegnet mir immer noch regelmäßig und diese Woche hat Rhea Tinkhauser auf LinkedIn dazu ein passendes Beispiel aus der Schule ihrer Kinder geteilt. Die Botschaft an die Kinder: „Vertraut solchen Systemen besser nicht.“ Die eigentliche Botschaft müsste aber lauten: „Lernt, damit umzugehen.“ Data Literacy, Kontextkompetenz, Quellenkritik: Darum geht es und diese Skills kann man nur entwickeln, wenn man sich mit den Tools auseinandersetzt.

Zum Thema „Lernen“ kam mir diese Woche noch ein anderer interessanter LinkedIn-Post von Jan Schönfeld zur LEARNTEC unter die Nase. Leider konnte ich selbst dieses Jahr nicht bei der LEARNTEC dabei sein. Aber ich habe viele euphorische LinkedIn-Posts dazu gesehen, Fotos von vollen Messeständen, KI überall, Networking-Glamour. Jans Post stand dem etwas entgegen. Seine Beobachtungen: Viel Messe, wenig Message. KI ist omnipräsent, aber wird in vielen Fällen nur draufgeklebt – ohne echte didaktische Tiefe. Statt über das Lernen selbst zu sprechen, kreist die Diskussion um Tools, Features und Schnittstellen. Learning-IT und LMS dominieren, aber wer kümmert sich um das Lernen? Um die Experience, die Kultur, die Wirkung? Seine Frage: „Lernplattform-Overkill und Management Dashboards: Ist das wirklich die Zukunft von Corporate Learning?“ Und ich denke mir: Gilt das nicht genauso für Hochschulen?

Wenn Lernen zur reinen Tool-Frage wird, wenn wir mehr über Dashboards reden als über Lernprozesse, wenn wir Wirkung mit Zertifikaten verwechseln, dann lernen wir vielleicht viel, aber eben nicht das Richtige. Jan schreibt: „Es wird nicht zu viel gelernt – es wird das Falsche gelernt.“ Und ich glaube, das ist ein Punkt, den wir uns auch im Hochschulkontext immer wieder bewusst machen müssen. Es geht nicht darum, Lernen effizienter zu machen, sondern wirksamer. Nicht mehr vom Alten, sondern anderes, Neues, Relevantes. Und das bedeutet auch: Learning by reflecting, not only by doing.

In diesem Sinne: Vielleicht war unser Promptathon ja mehr als nur ein gelungener KI-Wettbewerb. Vielleicht war er ein kleiner Schritt in Richtung einer Hochschule, die sich nicht mehr nur fragt, was sie lehrt, sondern wie sie gemeinsam mit den Menschen, die zu ihr gehören, Zukunft gestaltet.

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Ich, Dr. Isabella Buck (Wohnort: Deutschland), verarbeite zum Betrieb dieser Website personenbezogene Daten nur im technisch unbedingt notwendigen Umfang. Alle Details dazu in meiner Datenschutzerklärung.
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