Diese Woche war für mich in vielerlei Hinsicht ein Neuanfang. Nach acht Jahren in der Hochschullandschaft habe ich in meiner Berufsbiografie ein neues Kapitel aufgeschlagen: Ich arbeite nun beim Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC) und damit beim tarif- und sozialpolitischen Spitzenverband der chemischen und pharmazeutischen Industrie sowie großer Teile der Kautschuk- und kunststoffverarbeitenden Industrie. Dass ich als ‚prototypische‘ Geisteswissenschaftlerin mal in einer solchen Welt landen würde, war wohl auch nicht abzusehen (Gruß geht raus an alle, die noch die Formel „Germanistik = Taxifahren“ im Hinterkopf haben).
Der Start im neuen Berufsleben hätte kaum passender sein können: Mein erster Arbeitstag begann direkt mit einem Betriebsausflug: eine Planwagenfahrt durch die Weinberge von Hochheim am Main, inklusive Weinverkostung, anschließend gemeinsames Essen. Eine schöne und vor allem ungezwungene Gelegenheit, die neuen Kolleg:innen kennenzulernen (nur beim Ratespiel, wer schon wie lange beim BAVC tätig ist, war ich ganz klar im Nachteil).
Gleichzeitig erschien am Montag das neue Prompt Labor 2.0 des KI-Campus, dessen Einheit 4 „Wissenschaftliches Arbeiten mit KI“ aus meiner Feder stammt. Nach einem Intro zu den Einsatzmöglichkeiten von KI beim wissenschaftlichen Schreiben und den grundlegenden ‚Spielregeln‘ im Sinne der guten wissenschaftlichen Praxis wird es in dieser Einheit ganz konkret: Ich stelle vor, wie man genKI für die Planung, die Literaturarbeit, die Rohfassung und das Überarbeiten einsetzen kann. Dass der Release ausgerechnet an meinem ersten Arbeitstag außerhalb der Hochschulwelt kam, fühlt sich ein wenig an, als sei der Kurs mein ‚Vermächtnis‘ an die Hochschulwelt. Ich hoffe jedenfalls sehr, dass der Kurs vielen Studierenden und auch Lehrenden eine Orientierung bietet.
Am Mittwoch war ich dann zum ersten Mal außerhalb des BAVC unterwegs und zwar in Frankfurt im VCI-Gebäude (Verband der Chemischen Industrie) bei der Sherpa-Runde von Chemie³. Im Rahmen dieser Initiative arbeiten BAVC, IGBCE (IG Bergbau, Chemie, Energie; Gewerkschaft) und VCI gemeinsam daran, Nachhaltigkeit als Leitbild der chemisch-pharmazeutischen Industrie zu verankern, verstanden als Dreiklang aus Ökonomie, Ökologie und Sozialem. Spannend war für mich nicht nur das Treffen selbst und der Kontakt mit vielen neuen Gesichtern, sondern auch das ganze Drumherum: das Gebäude, die Menschen, die Gesprächskultur. Die Welt von Unternehmen und Verbänden ist mir noch fremd und gerade deshalb besonders spannend. Die politischen Zwischentöne, das, wofür man steht, wie man miteinander spricht, wie man sich positioniert: All das hat mich in dieser Woche besonders beschäftigt. Und als Linguistin ging sehr oft mein Herz auf, weil man ganz deutlich sehen kann, wie Sprache das zentrale Instrument ist, wie Kontextualisierungshinweise funktionieren, wie zwischen den Zeilen gesprochen wird etc.
Nebenbei habe ich diese Woche mehr Gesetze gelesen als vermutlich in meinem bisherigen Leben zusammen – mit Blick auf den EU AI Act und die aktuellen Diskussionen, die ihn begleiten, und mit Blick auf das Lieferkettengesetz und die aktuellen politischen Beschlüsse hierzu.
Eine weitere Premiere war der Zugang zu Microsoft 365 an meinem neuen Arbeitsplatz. Abseits von Word, PowerPoint und Excel habe ich endlich Zugriff auf Tools wie den Planner und To Do (mein Strukturierungs- und Projektmanagementherz geht auf), die mir sicher helfen werden, meine Arbeit gut zu strukturieren. Außerdem konnte ich endlich Obsidian im Alltag erproben (ich habe vor ein paar Wochen zu meinen diesbezüglichen Plänen gebloggt) und bin bislang sehr zufrieden damit. Und schließlich habe ich auch Zugriff auf MS Copilot, doch damit muss ich mich zugegebenermaßen noch anfreunden (ChatGPT kennt mich einfach schon zu gut, der Copilot noch gar nicht …).
Hinzu kam das Neuland „Ausbildung“: So hatte ich etwa ein Gespräch mit jemandem vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln u. a. über das Netzwerk Q 4.0, das sich primär an Ausbilder:innen richtet. Ausbildung habe ich weder selbst erlebt noch in meinem engen Umfeld kennengelernt (Stichwort „Bubble“ …). Hier interessiert mich natürlich v.a. das Thema „KI in der Ausbildung“ und ich bin gespannt, welche Parallelen, aber sicher auch grundlegenden Unterschiede ich zu „KI im Studium“ finden werde.
Nach vielen neuen Gesichtern war es schön, dass ich heute, zum Ende der Woche, beim Jour Fixe des VK:KIWA auch noch vertraute Gesichter sah. Einziger Wermutstropfen war hier, dass viel über die Learning AID gesprochen wurde, die diese Woche stattfand, bei der ich aber leider nicht dabei sein konnte.
Eine Woche voller Premieren also – zwischen Abschied und Aufbruch, zwischen Bekanntem und Neuem, zwischen Hochschule und Verbandswelt. Ich glaube, wenn ich könnte, würde ich jede Woche bei einem neuen Arbeitgeber anfangen, einfach um Einblicke in ganz neue Welten zu bekommen. Da mir das Oberflächliche am Ende aber doch nicht reicht, freue ich mich jetzt einfach drauf, die nächsten Wochen, Monate (und Jahre, gefühlt braucht es nämlich Jahre) tief(er) in die Verbandswelt und meine neuen Aufgabenbereiche einzusteigen.