Zu Beginn des heutigen Blogartikels gibt es von mir kostenlos und ungefragt einen lebenspraktischen Ratschlag: Bitte nie ohne Fahrradhelm fahren, so gut die Frisur auch sitzen soll (ja, ich weiß …) und so heiß es auch sein mag (ja, ich weiß …) und welche Gründe auch noch dagegensprechen mögen. Die Quintessenz meiner Woche ist nämlich: Auto nimmt mir Vorfahrt, Helm kaputt, Kopf gesund, ich inzwischen wiederhergestellt. Es hätte wesentlich schlimmer ausgehen können. Niemand mag ungefragt gute Ratschläge, trotzdem: Fahrradfahren ist gesund, aber nur dann, wenn man es mit Helm betreibt 😉
Wie immer beschäftigt mich auch diese Woche die Frage, wie man grundlegende Prinzipien der Schreibdidaktik im genKI-Zeitalter noch sinnstiftend an Studierende vermitteln kann. Wie man Studierende also dazu bekommt, an fakultativen schreibdidaktischen Seminaren teilzunehmen, wenn im öffentlichen Diskurs ggf. die Meinung zirkuliert, dass das ohnehin bald alles von KI übernommen werden kann.
Was scheinbar aber noch viel weniger sexy ist als Schreibdidaktik, ist Lesedidaktik. Dazu bin ich diese Woche über einen frisch erschienenen Artikel von Maik Philipp gestolpert, der den Untertitel „Über die Lesekompetenz in Zeiten der Künstlichen Intelligenz“ trägt. Der Haupttitel „‚Nun sag‘, KI, wie hast du’s mit der Wahrheit?‘“ verrät, dass der Artikel in die Richtung kritischen Denkens bzw. Lesens geht und dass die Frage im Fokus steht, wie man möglicherweise KI-generierte und damit ggf. inhaltlich falsche Texte identifizieren kann. Darum geht es in meinen Gedanken zu diesem Thema aber weniger. Mir geht es viel mehr um die eigentliche Lesekompetenz im KI-Zeitalter, worauf der Untertitel hindeutet. Wenn man Lesen mit Philipp als „hochdynamischen Problemlöseprozess beschreibt, in dem selbstreguliert vorgehende Leserinnen und Leser diverse metakognitive Entscheidungen treffen und Strategien nutzen, um Ziele zu erreichen“ (S. 46), dann fragt man sich, wie Lesekompetenz im Zeitalter von Tools wie ChatPDF aussehen sollte.
Auch wenn der Upload von Papern, die man über die eigene Hochschulbibliothek heruntergeladen hat, bei Tools wie ChatPDF & Co. nicht legal ist – das sei in aller Deutlichkeit gesagt –, nutzen Studierende diese Tools. Es scheint zu verlockend, all die gerade am Anfang des Studiums furchtbar kompliziert wirkenden wissenschaftlichen Texte nicht mehr selbst lesen zu müssen. Doch das karikiert den grundlegenden Gedanken von Wissenschaft: Davon abgesehen, dass wissenschaftliche Texte hier als bloße Informationsbehälter erscheinen, deren Inhalt man beliebig destillieren kann (s. Buck/Limburg 2024), kürzen solche Tools auch den Prozess des Erkenntnisgewinns ab und es bleibt am Ende nur das Ergebnis. Eine tiefe Auseinandersetzung mit dem Forschungsstand, ein wesentlicher Bestandteil wissenschaftlichen Arbeitens, sieht anders aus. Doch die Tools sind da und so stellt sich die Frage, wie wir Studierende dazu motivieren können, wissenschaftliche Texte selbst zu lesen, ihren Argumentationsgang zu verfolgen etc.
Bei der Beantwortung dieser Frage kommen wir zwangsläufig beim Aspekt der Sinnhaftigkeit vorbei: Solange Studierende überhaupt keinen Mehrwert darin sehen, den mühsamen Weg zu gehen und Texte selbst zu lesen, werden sie dies in Zukunft auch nicht mehr tun. Stellt sich nur die Frage, wie sie von dieser Sinnhaftigkeit überzeugt werden können. Für mich ist der Ansatzpunkt hier ganz klar in der Fachlehre: Jedes Fach hat seine eigenen Diskurstraditionen, seine eigenen Konventionen beim Umgang mit Texten. Lehrende können von Studierende nicht erwarten, dass sie diese kennen. Und so sind wir wieder bei einem Punkt, den ich in all meinen Seminaren zu genKI in der Lehre und beim Prüfen mantraartig wiederhole: GenKI bietet eine großartige Chance, die Sinnhaftigkeit akademischer Praktiken zum expliziten Lerngegenstand zu machen, sie zu explizieren, mit Studierenden darüber ins Gespräch zu kommen. Und wo geht das besser als direkt in der Fachlehre?
Abschließen möchte ich diesen Beitrag mal wieder mit einem Einblick in meine Reflexionspraxis: Da mir die Praxis der Reflexion am Ende eines jeden Arbeitstages zu kleinschrittig und zu mühselig wurde, probiere ich nun Wochenreflexionen aus. Jeden Freitag nehme ich mir seit Kurzem Zeit für die WANN-Reflexion. Dabei fragt man sich, was man in der nächsten Woche Weiterhin machen möchte, weil es gut lief; was man Anders machen möchte, weil man nicht damit zufrieden war; was man gar Nicht mehr machen und was man Neu einführen möchte. Für mich passt der größere Blick auf die ganze Woche und nicht auf einzelne Tage aktuell besser als kleinschrittige Tagesreflexionen. Montagmorgens kann ich mir die Notizen meiner Kurzreflexion der vergangenen Woche vornehmen und mich für die neue Woche daran orientieren. Außerdem notiere ich nun am Ende jeder Woche, welche Begegnungen ich in den vergangenen Tagen mit den einzelnen Personen aus meinem Team hatte und was ich in der aktuellen Woche an deren Arbeit besonders geschätzt habe. So kann ich zum einen die Kultur der Wertschätzung pflegen. Zum anderen merke ich dann hoffentlich auch immer rechtzeitig, wenn ich den Kontakt zu einer Person ein wenig verliere.
Für mich geht es nun ins Gartencenter, um neue Blumen zu kaufen. Selbstverständlich wieder mit dem Fahrrad und selbstverständlich mit neuem Fahrradhelm. In diesem Sinne: Ein schönes und gesundes Wochenende!