Diese Woche war ich mal wieder in Berlin und zwar beim letzten Präsenztreffen der Taskforce „KI in der Hochschulbildung“, die im Rahmen der Future Skills Allianz des Stifterverbandes noch bis Ende dieses Jahres arbeitet. Auch wenn ich beruflich inzwischen ein anderes Kapitel aufgeschlagen habe, begleite ich die Gruppe noch bis Jahresende als Co-Leitung weiter. Aktuell sind wir dabei, unsere Abschlusspublikation vorzubereiten, die im Januar erscheinen wird.
Besonders deutlich wurde dieses Mal in Berlin: Die Stimmung droht zu kippen. Zum Glück nicht bei uns in der Taskforce, wohl aber in der Hochschullandschaft. Noch vor einem Jahr herrschte eine Aufbruchsstimmung – neugierig ausprobieren, Chancen sehen, Mentalität von „wir müssen da unbedingt rein“. Jetzt verschärft sich die Spaltung. Die einen sehen ein Qualitätsmerkmal darin, dass KI überall integriert ist. Und die anderen setzen bewusst das Gegenzeichen: „Wir sind KI-frei“ scheint das Potenzial eines künftigen neuen Qualitätsmerkmals zu haben.
Dass diese Positionen nicht nur theoretisch sind, zeigt der Offene Brief niederländischer Hochschullehrender von Juni 2025. Darin fordern die inzwischen über 1200 Unterzeichnenden, die unkritische, selbstverständliche KI-Nutzung in der Hochschullandschaft zu stoppen. Ihre Argumentation ist klar: KI gefährdet wissenschaftliche Integrität, untergräbt kritisches Denken, produziert „schlau klingende, aber inhaltsleere“ Texte und trägt zum De-Skilling von Studierenden bei. Hochschulen, so die Autor:innen, hätten die Pflicht, Räume zu schaffen, in denen Lernen nicht durch Industrieprodukte wie eben ChatGPT & Co. vorstrukturiert wird, sondern in denen Eigenständigkeit und wissenschaftliche Integrität gesichert bleiben.
Dieses Anliegen wurde Anfang September nun in einem ausführlichen Positionspapier bekräftigt. Darin heißt es, die Einführung von KI an Hochschulen sei keine neutrale Modernisierung, sondern ein weiteres Beispiel für die unkritische Übernahme einer Agenda, die die Industrie diktiert, vergleichbar mit früheren „kollektiven Irrtümern“ wie der Tabak- oder Ölindustrie. Die Autor:innen verweisen auf die Gefahr, dass Hochschulen zu bloßen Kundinnen von Konzernprodukten degradiert werden, anstatt Orte unabhängiger Wissensproduktion zu bleiben. Natürlich durfte auch der Taschenrechner-Vergleich nicht fehlen: So wie man Kindern das Rechnen nicht mit dem Taschenrechner beibringt, dürfe man auch Studierenden das Schreiben und Forschen nicht durch Chatbots abnehmen.
In unserer Taskforce haben wir diese Spannungen diskutiert, um zu überlegen, wie sie in unsere Abschlusspublikation Eingang finden können (und müssen). Ich selbst habe dabei im Rahmen einer Gruppenarbeit zusammen mit u.a. Doris Weßels ausgerechnet die Rolle der Verfechterin einer „KI-freien Hochschule“ eingenommen. Ein Teilnehmer aus der Runde meinte anschließend, dass er es doch sehr irritierend fand, mich, die ich sonst als KI-Pionierin gelte, plötzlich in dieser Position sprechen zu hören. Das sorgte für einige Lacher, aber auch für wichtige Erkenntnisse für die eigene Position.
Ein zweiter spannender Punkt, im Rahmen unserer Diskussionen war ein Punkt, den Doris Weßels eingebracht hat: Alle diskutieren über KI – Hochschulverbände, Fachgesellschaften, Wirtschaftsverbände – aber jede:r für sich. Es fehlen Anknüpfungspunkte, es gibt viel zu wenig Austausch, viel zu wenige Synergien. Dabei wäre gerade das Zusammenspiel entscheidend, um die Fragen rund um KI in der Bildung, Wirtschaft und Gesellschaft konstruktiv zu beantworten. So aber bleibt es bei einem Klein-Klein und alle glauben, das Rad neu erfinden zu müssen.
Mein Fazit nach Berlin: Wir stehen gerade vielleicht an einer entscheidenden Weggabelung. Ob Hochschulen die Extreme – völlige Integration versus totale Ablehnung – in einen produktiven Austausch bringen können, ist offen. Klar ist nur: Die Debatte um KI wird vermutlich härter und wird zunehmend unsere Vorstellungen von Qualität in der Hochschulbildung prägen.