Diese Woche stand bei mir im Zeichen einer Schreibklausur. Ich habe mir bewusst die ganze Woche freigenommen, um mein Lehrbuchprojekt weitgehend abzuschließen, bevor Ende Oktober die Deadline für die Abgabe des Manuskripts ansteht. Die Woche war sehr intensiv, aber auch sehr produktiv. Im September hatte ich mir schon einmal eine Woche freigenommen, um am Buch zu arbeiten, war da aber recht kränklich und auch von der Motivation her nicht auf Vordermann, weil der Berg, der vor mir lag, noch so groß schien. Umso mehr freue ich mich, dass diese Woche nun so produktiv war und ich jetzt mit dem Projekt auf der Zielgeraden bin.
Zunächst einmal möchte ich auf das letzte halbe Jahr zurückblicken, in dem ich das Buch geschrieben habe. Aktuell steht noch das Feedback von vier Personen zur Einleitung aus und es sind noch ein paar Kleinigkeiten zu überarbeiten, aber all das bekomme ich bis Ende Oktober gut eingearbeitet. Insgesamt muss ich sagen, dass ich die Arbeit am Buch ganz klar unterschätzt habe. Dadurch, dass ich eine riesige Materialsammlung zum Thema des Buches – generative KI und wissenschaftliches Schreiben – hatte und schon viele Vorträge gehalten sowie unzählige Seminare dazu gegeben habe, dachte ich, das wird schon irgendwie. Aber das Schreiben eines Lehrbuches erfordert eine andere Art der Strukturierung und das hat mich, neben meinem Vollzeitjob (der in diesem halben Jahr zusätzlich auch noch unter dem Stern meiner ersten Führungsposition stand) und weiteren kleineren Publikationsprojekten sowie freiberuflicher Arbeit sehr gefordert. Viele Abende und viele Samstage gingen dafür drauf, und mehr Zeit hätte mir definitiv gutgetan.
Mehr Zeit war aber nicht drin, weil das Thema so dynamisch und schnelllebig ist. Das Buch ist vielleicht ohnehin schon – hoffentlich nicht, aber potenziell doch – in Teilen wieder veraltet, wenn es erscheint. Deshalb war der zeitliche Druck einfach da und ich wäre gerne noch früher fertig geworden. Trotz des hohen Drucks kann ich aber sagen: Ich würde jederzeit wieder ein Lehrbuch schreiben, wenn es sich um ein Thema handelt, in dem ich so tief drin bin wie in diesem. Und obwohl ich mit dem Thema zuvor schon sehr vertraut war, habe ich durch die intensive Beschäftigung und Recherche noch viel Neues dazugelernt. Besonders spannend fand ich es, dass ich im Lehrbuch die Möglichkeit hatte, die Lesenden direkt anzusprechen, auch mal ein kleines Augenzwinkern einzubauen – also Dinge, die man in wissenschaftlichen Texten eher nicht macht. Es war schön, vollständige Freiheit in der Gestaltung des Buches zu haben. Gleichzeitig habe ich aber auch gemerkt, wie herausfordernd es ist, mein Wissen und das, was mir selbst sehr klar ist, zielgruppengerecht aufzubereiten.
Zielgruppe sind für mich in erster Linie Studierende und Promovierende. Aber gerade beim Feedback von Kolleg:innen und Studierenden habe ich gemerkt, dass ich manchmal ein zu wenig wertschätzendes Bild der Lesenden vermittelt habe, besonders wenn es darum ging, zu betonen, dass KI-Tools nicht als Ersatz für das menschliche Denken eingesetzt werden sollten. Dieses Feedback hat mich irritiert, und ich habe mir die Frage gestellt, warum ich es so formuliert habe. Im Rückblick wurde mir klar: Neben Studierenden und Promovierenden hatte ich unbewusst noch eine andere Zielgruppe im Hinterkopf und zwar Lehrende an deutschen Hochschulen, die KI-Tools am liebsten verbieten würden, weil sie glauben, dass durch KI-Tools kein Lernen mehr stattfindet und Studierende schummeln, wenn sie KI nutzen. Dieses unbewusste Publikum im Hinterkopf hat mein Schreiben doch sehr beeinflusst und ich habe Formulierungen gewählt, die ich sonst anders gestaltet hätte. Insofern war ich meinen Feedback-Gebenden sehr dankbar, dass sie mich auf diesen blinden Fleck aufmerksam gemacht haben.
Aus diesem Anlass habe ich auch meine eigene Feedback-Biografie reflektiert. Ich habe gemerkt, wie schwer es immer noch fällt, Feedback anzunehmen. Trotz meiner Erfahrung in der Schreibdidaktik und obwohl ich die Studien kenne, die zeigen, wie wichtig Feedback für die Qualität von Texten und für die Schreibkompetenzentwicklung ist. In der Schule gab es für mich nie wirklich Feedback auf meine Texte. Deutsch war mein absolutes Lieblingsfach, ich hatte durchweg Bestnoten – in der Oberstufe meistens 15 Punkte – und habe am Ende sogar den Preis für das beste Deutsch-Abitur an meiner Schule bekommen. Meine Texte wurden von meiner Deutschlehrerin immer nur in den höchsten Tönen gelobt. Für mich war klar: Ich bin eine tolle Schreibende und brauche kein Feedback. Im Germanistik-Studium setzte wurde dieses Selbstbild verstärkt: Auf alle Hausarbeiten bekam ich eine 1,0 und empfand mich daher als sehr kompetente Schreibende. Schreibberatung in Anspruch zu nehmen, war für mich daher kein Thema, weil das ja nur diejenigen machen, „die es nicht können“. Erst später, als ich in die Schreibdidaktik kam, lernte ich eine andere Perspektive auf Feedback kennen – dem Himmel sei Dank!
Und so habe ich erst während meiner Promotion begonnen, aktiv Feedback auf meine Texte einzuholen. Aber auch da war Feedback für mich noch eher negativ besetzt: Feedback ist nötig, wenn man es fachlich eben selbst nicht besser kann. Diese Haltung habe ich inzwischen überwunden, aber ich merke, dass ich bei Feedback doch immer erst einmal noch zusammenzucke und erst später dankbar dafür sein kann. Deshalb freut es mich umso mehr, dass ich bei meinem Lehrbuchprojekt so viel konstruktives Feedback erhalten habe. Insgesamt haben 21 Personen mit sehr unterschiedlichen Perspektiven Feedback zum Manuskript gegeben, teilweise auch sehr kritisches. Dadurch ist das Manuskript jetzt ganz anders, als es ursprünglich gewesen wäre, ohne das wirklich wertvolle Feedback all der 21 feedbackgebenden Personen.
Was ich außerdem spannend fand, war mein Einsatz von KI-Tools. Ich habe KI-Tools vor allem in einer entlastenden Funktion gebraucht, also zum Erstellen von Kapitelzusammenfassungen, Kapiteleinleitungen und zum Strukturieren von Bausteinen für einen ersten kohärenten Entwurf eines (Unter-)Kapitels. Der Einsatz von KI hat mir Zeit gespart, mehr aber auch nicht. Und da bin ich bewusst hinter dem Potenzial zurückgeblieben, das KI-Tools eigentlich bieten. Das lag vielleicht daran, dass ich ein Lehrbuch geschrieben habe und hier keine neuen Erkenntnisse generiert wurden. Somit war das Schreiben selbst kein epistemisches Schreiben in dem Sinne, dass ich durch den Schreibprozess neue Einsichten gewonnen hätte. Es war vielmehr ein Prozess des Wissensstrukturierens.
Ich freue mich nun sehr darauf, das Manuskript endlich abzuschicken. Genau den zuletzt erwähnte Punkt – das Schreiben mit Erkenntnisgewinn – habe ich im letzten halben Jahr nämlich ziemlich vermisst. Insofern kann ich es kaum erwarten, mit neuer Energie in die nächste wissenschaftliche Publikation zu starten und mein Gehirn mal wieder richtig herauszufordern. Eine Idee für ein nächstes Publikationsprojekt habe ich schon, mal schauen, was daraus wird.
Übrigens habe ich diese Woche zur Entspannung auch viel gelesen. Paradoxerweise (wirklich absoluter Zufall) lag diese Woche Juli Zehs ‚Treideln‘ auf meinem Sofa-/Nachttisch: ihre Frankfurter Poetikvorlesungen, in denen sie über ihr Schreiben schreibt. Ein wirklich tolles, immer wieder herrlich komisches und zum Schmunzeln bringendes Buch (auch für die, die Juli Zeh oder ihre Romane nicht mögen), das ich sehr empfehlen kann. Ganz anders, viel lockerer und leichter, als Benedict Wells „Die Geschichten in uns“, ebenfalls über sein Schreiben, das vor kurzem auf meinem Sofa-/Nachttisch lag.